Verbinden der formalen Merkmale des Sonetts: Eine Theorie der ‚Centred Form’
Abstract:
Das Sonett wird formal durch die unterschiedlichen Kategorien von Zeilenzahl, Strophenform, Volte, Isometrie und Reimschema charakterisiert. Diese Untersuchung will statt dessen Beweise für die These aufdecken und gewichten, ein Sonett entfalte sich von seiner Mitte her und bilde dabei ein Muster, in dem seine formalen Merkmale enthalten sind. Diese Idee drückt sich in der Bezeichnung Theorie der ,centred form‘ aus. Die theoretische Beweisführung geschieht durch den Aufbau eines Arbeitsmodells aus ersten Grundannahmen und der darauf beruhenden Bildung der formalen Merkmale von fünf klassischen Sonetttraditionen. Aus vereinfachten Reimschemata werden Mittelreihen bzw. zweireihige Matrizen von vier oder fünf Elementen erschlossen und überprüft, indem sie zu Reihenmodellen entwickelt werden. In jedem der dargestellten Modelle entfalten sich die Entsprechungen zu den formalen Sonettmerkmalen aus der Modellmitte. Die Entsprechung zur Isometrie ergibt sich aus der Entwicklung einer festen Anzahl von Reihenelementen. Die Entsprechung zur Volte entsteht am Punkt des stärksten Gegensatzes der Bewegungsrichtungen zwischen den Reihen. Die Entsprechung zur Strophenform ergibt sich aus Symmetrien zwischen Reihengruppen. Entsprechungen zu den Reimschemata ergeben sich ihrerseits aus der Zyklizität in der Reihenentwicklung. Die Entsprechung zu der vierzehnzeiligen Sonettlänge wird durch die Beschränkungen von Innovation und Redundanz in der Reihenentwicklung bewirkt. Um die Gefahr von Irrtum oder vorgefasster Meinung einzuschränken, wird ein zweites davon unabhängig aufgebautes Dreiecksmodell als Möglichkeit, eine Gegenprobe zu liefern, entwickelt. Praktische Beweisführung für die These wird schließlich durch den auf der ‚centred form’ beruhenden Sonettzyklus’, Memorial Day: the Unmaking of a Sonnet’ erbracht. Die Gesamtheit der Beweise stützt die These: Ein einfaches binäres Muster, das sich aus der Modellmitte entfaltet, beschreibt und verbindet die Entsprechungen zu seinen sogenannten formalen Merkmalen und hebt somit die Grenze zwischen reflektierendem Denken und schöpferischem Schreiben auf.
PDF: Verbinden der formalen Merkmale des Sonetts: Eine Theorie der ,Centred Form.’ (abrufbar ab Ende Oktober, 2015)